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#Trolltage in Berlin
Tagung zum Thema „Shitstorms, Trolle und Hate Speech“
Nicht nur in der Mythologie, sondern auch im Internet treffen wir heutzutage auf sogenannte Trolle. Im Netz sind damit Menschen gemeint, die mit ihren Beiträgen ganz bewusst stören möchten. „Dabei gibt es ganz unterschiedliche Gründe, die die Menschen haben, wenn sie eine Webseite oder einen Social Media-Auftritt stören“, sagte Pfarrer Frank Muchlinsky bei der Tagung „Shitstorms, Trolle und Hate Speech“ in Berlin. Gemeinsam mit seiner Kollegin Stefanie Spitzer gestaltete der Redakteur von evangelisch.de einen Vormittag bei der dreitägigen Veranstaltung des Studienzentrums der EKD für Genderfragen in Kirche und Theologie.
Zu Beginn der Tagung stellte Studienleiterin Ellen Radtke die Ergebnisse der Studie „Verhasste Vielfalt. Eine Analyse von Hate Speech im Raum von Kirche und Diakonie mit Kommentierungen" vor. Sie wurde 2017 vom Studienzentrum für Genderfragen herausgegeben und bildete den Anlass zur Tagung. „Nicht jede Negativ-Äußerung fällt unter Hate Speech. Es gibt auch Menschen, die mit Argumenten diskutieren möchten. Hate Speech beginnt erst dort, wo gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit erkennbar wird“, so die Pfarrerin. Dies sei beispielsweise so, wenn abwertende Äußerungen über alle Frauen gemacht würden, oder zum Generalverdacht gegen alle Muslime aufgerufen werde. „Und dem müssen sich die Kirchen und die Diakonie entgegenstellen“, ist Radtke überzeugt. Zusätzlich zur Studie hat das Studienzentrum ganz konkrete Hilfestellungen für kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Zusammenhang mit Hass und Diffamierungen im Internet erarbeitet, die auch als kleine Broschüre erhältlich sind.
Im Anschluss an die Vorstellung der Studie informierte Mick Prinz von der Amadeu Antonio Stiftung über seine Arbeit. Seit ihrer Gründung 1998 ist es das Ziel der Amadeu Antonio Stiftung, eine demokratische Zivilgesellschaft zu stärken, die sich konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet. „Wir alle bewegen uns in gewissen Blasen, wenn wir uns im Internet aufhalten. Beispielsweise wenn wir Nachrichten lesen. Dabei befinden wir uns in einer sogenannten Filterblase und nehmen nur Informationen von einer speziellen Seite wahr“, erklärte Prinz ein Phänomen der Nutzung des Internets. Diese Filterblasen entstünden durch Algorithmen, die dafür sorgen, dass uns Nachrichten angezeigt werden, die zu unseren Interessen passen. Demgegenüber grenzte Prinz die sogenannten „Echokammern“ ab. „Dabei handelt sich um eine ganz bewusste Entscheidung von uns, digitale Räume aufzusuchen, in denen unsere eigene Meinung uns wie ein Echo zurückgespiegelt wird“. In diesen Echokammern könnten sogenannte „toxische Narrative“ weitergegeben werden, so der Referent weiter. „Hierbei handelt es sich um moderne giftige Märchen - wie beispielsweise die giftige Erzählung über die Lügenpresse.“ Um der Verbreitung dieser Geschichten Einhalt zu gewähren, empfiehl Prinz, „dass wir als digitale Zivilgesellschaft Haltung im Netz bewahren.“ Diese könne beispielsweise durch positive Erzählungen oder dem sogenannten „Counter-Speech“ (deutsch: Gegenrede) passieren. Auch die Kirche könne hier aktiv werden und ihre Werte verstärkt im digitalen Raum verbreiten. „Ganz wichtig ist es, dass Hass nicht unwidersprochen bleibt. Denn da, wo er unkommentiert stehen bleibt, vervielfältig er sich“, so Prinz zum Abschluss.
Den Vormittag des zweiten Tages gestalteten Frank Muchlinsky und Social Media Redakteurin Stefanie Spitzer von evangelisch.de. Anschaulich berichteten sie dort unter dem Titel „(Un)-Soziale Medien“ von ihrem Alltag in der Frankfurter Redaktion. „Es gibt Menschen, die im Internet einfach nur provozieren – ohne noch einen Diskurs zu wollen. Demgegenüber gibt es auch Menschen, die gehört werden wollen“, sagte Spitzer. „Bei der zweiten Gruppe ist es dann auch tatsächlich gut, zu schauen, welche Frage dahintersteht“, ergänzt Muchlinsky. Dann gebe es noch die Menschen, die wirklich zerstören wollen. „In solchen Fällen verbergen wir die Beiträge oder wir bannen die Personen“, so Muchlinsky. Eindrücklich plädierte er dafür, Angriffe auch als solche wahrzunehmen und nicht vorschnell in Erklärungsmuster zu verfallen, die der Relativierung dienen. „Wenn mich jemand bedroht oder über beschimpft, dann will ich erstmal ‚Aua‘ sagen können und nicht gleich hören, aus welchem Grund dieser Mensch mich angegriffen hat“, berichtete er von seinen Erfahrungen.
Der Nachmittag stand im Zeichen der aktiven Mitarbeit. In drei verschiedenen Workshops konnten die Teilnehmer*innen ihr Wissen vertiefen und erweitern. Doreen Gliemann, Leiterin der Internetarbeit der Nordkirche, informierte über die Arbeit der Kirche im Internet und auf den sozialen Netzwerken. Die Bloggerin und Autorin Katrin Rönicke gab Hinweise zum eigenen Umgang mit Hass im Netz und Hannes Leitlein, stellvertretender Chefredakteur von Christ und Welt, erträumte sich mit den Teilnehmer*innen die digitale Kirche von Morgen.
Am Abend erfuhren die Anwesenden von Stefan Ruhmannseder vom Demokratiezentrum Baden-Württemberg, welche rechtlichen Möglichkeiten es im Umgang mit Hass im Netz gibt. Er stellte dabei das Projekt „respect! Meldestelle Hetze im Netz“ vor. Dort können Menschen Hasskommentare melden, die möglicherweise gegen rechtliche Grundlagen verstoßen. Nach einer internen Prüfung kommen diese dann – je nach Schwere des Verstoßes – zur Anzeige bei der Polizei.
Fake News standen zum Abschluss der Tagung im Fokus. Andre Wolf war dafür aus Wien angereist, um über die Arbeit von mimikama – dem Verein gegen Internetmissbrauch - zu informieren. Um eine Falschmeldung zu erkennen, gebe es mehrere Schritte, erklärte Wolf. „Beispielsweise ist es auffällig, wenn jemand sehr einseitig schreibt oder Informationen ausgelassen hat“, sagte er. An diesem Punkt sollten die Leser*innen skeptisch werden und die Meldung genauer überprüfen. „Dann sollte erstmal geschaut werden, wer der Absender der Nachricht ist“, sagt Wolf. Auch der Inhalt müsse anschließend überprüft werden. Wie genau diese Überprüfung funktioniert erklärt der Experte im Video-Interview.
Unter dem Hashtag #Trolltage posteten die Teilnehmer*innen und Referent*innen während der Tagung in den sozialen Netzwerken.